Tanz und NFTs

eine Recherche

gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Programm NEUSTART KULTUR, Hilfsprogramm DIS-TANZEN des Dachverband Tanz Deutschland.

Innerhalb der letzten ein bis zwei Jahre dürften die meisten Menschen das Wort NFT gehört haben. Meistens weiß man, dass es etwas mit digitaler Kunst zu tun hat und irgendwie mit Blockchain und Kryptowährung. Besonders zu letzterem Begriff existieren polemische Meinungsverhältnisse, doch auch wenn es um NFTs geht, stehen passionierte Stimmen, die darin die Zukunft für den Verkauf (digitaler) Kunst sehen, skeptischen Positionen, die deren baldigen endgültigen Crash vorhersagen gegenüber.

Als ich begann mich mit dem Thema NFTs auseinanderzusetzen, fielen mir zunächst zwei Begriffe auf: sammelbar und Festlegung der Urheberschaft.
NFTs machen es zum einen möglich Dinge zu besitzen, die vorher nicht besitzbar schienen und somit sie zu sammeln und zu monetarisieren.
Zum anderen ordnen sie ein Werk (ein NFT kann eigentlich mit allem verbunden sein, aber an dieser Stelle geht es vor allem um digitale Kunstwerke) absolut eindeutig einer*m Urheber*in zu und ermöglichen darüber hinaus, dass diese*r umwegslos am Verkauf und Weiterverkauf des NFTs verdient.
Das weckte mein Interesse und - im Schauspiel- und Tanzbereich arbeitend - begann ich mich zu fragen, was die Technologie hinter NFTs für Tanz bedeuten könnte. Denn so unterschiedlich Tanz und digitale Kunstformate auch scheinen mögen, ähneln sich beide Genres darin, wiederholbar bis (im Fall von Choreographien) kopierbar zu sein und sich nicht in einem materiellen und physisch besitzbaren Produkt zu manifestieren.

Kann man durch digitale Wert- und Besitzzuschreibung Tanz als Produkt verkaufbar, sammelbar und archivierbar machen?
Könnten NFTs ein weiteres Tool zur Beantwortung der komplexen Frage nach der Archivierbarkeit von Tanz sein und würde darüber hinaus Tanzliebhaber*innen ermöglichen Tänzer*innen und Choreograph*innen gezielt finanziell zu unterstützen?
Könnte außerdem Urheberschaft, vor allem bei digital verbreitetem Tanz durch NFTs festgelegt und gesichert werden?


Mein Ziel der Recherche war es auf Basis dieser Fragestellungen die Chancen und das Potential von NFTs für Tanz in zwei verschiedene Richtungen gehend zu untersuchen. Zum einen plante ich mich mit NFTs und Tanz, der bereits digital stattfindet, zu beschäftigen und damit einhergehend auch mit der Plattform TikTok. Zum anderen wollte ich herausfinden, welche Möglichkeiten NFTs für klassische und zeitgenössische Choreograph*innen und Tänzer*innen und die Monetarisierung sowie die Archivierung ihrer Arbeit bedeuten kann.

Diese Seite ist nicht die abschließende Beantwortung dieser Fragen, sondern vielmehr ein Teilen meiner Recherche, der verschiedenen Erklärungen, Informationen und Stimmen, die ich innerhalb zusammen tragen konnte und die vor allem Tanz- und Theaterschaffende dazu einlädt, sich selbst ein Bild zu machen, weiterzuforschen und ins Gespräch zu kommen.

Auf dieser Seite findet sich daher unter den Punkten "Was sind NFTs", "Tanz und NFTs", "Tanz und TikTok" erste Erklärungen sowie entsprechende Links, die in das Thema einführen. Unter "Interviews" teile ich eine kurze Umfrage, in der ich Tänzer*innen aus Deutschland, Dänemark, Ungarn und England nach ihrem Umgang mit digitalen Tools und einem kurzen Meinungsbild zum Thema NFTs frage. Im letzten Reiter "Subversives Potential von NFTs" habe ich mir abschließend die Frage gestellt, was die Recherche über das kapitalistische Potential von NFTs hinaus durch die technischen Möglichkeiten der Blockchain Technologie für Ideen und Perspektiven hervor gebracht hat und wo sich ein weiterer Ansatz lohnen würde.

Nicht allzu selten schmücken sich Tanz- und Theaterschaffende mit einer offensiv nach außen getragenen, ablehnenden Haltung gegenüber digitalen Medien und technologischem Fortschritt.
Doch ich glaube, dass sich die Mühe lohnt, sich mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen, selbst wenn man sie dann für unbrauchbar und der Kunstform gegenüber kontraproduktiv hält. Darstellende Kunst konstituiert sich durch den Live-Moment und wird immer live stattfinden. Dennoch leben wir in einer sich permanent digitalisierenden Welt und müssen uns mit ihr beschäftigen, nicht zuletzt auch im Verhältnis zu der Kunst, die wir produzieren.

Zum Glück haben sich in den letzten Jahren seit der NFT Hype von sich reden macht, sehr viele Menschen damit beschäftigt die Technologie dahinter zu verstehen und einfach (!) zu erklären. Dementsprechend finden sich unter den einzelnen Unterpunkten Texte von mir, die vor allem Links zu verschiedenen Quellen, die ich für interessant und relevant halte, versammeln und diskutieren.

Die Recherche findet von April bis Juni 2022 statt und wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Programm NEUSTART KULTUR, Hilfsprogramm DIS-TANZEN des Dachverband Tanz Deutschland.





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WAS SIND NFTs?



NFTs sind nicht das Kunstwerk selbst, sondern ein Zertifikat, das den Besitz eines digitalen Objekts anzeigt. Diese Datei kann ein Foto sein, ein GIF, ein Video, aber auch eine Domain, der Screenshot eines Tweets, ein Grundstück in einer virtuellen Landschaft und so weiter. Das Zertifikat existiert als Zahlenreihe auf der Blockchain. NFTs ändern nichts um Urheberrecht, sondern zeigen lediglich den Besitz eines Objekts an, das dennoch unbegrenzt vervielfältigbar ist.

 

NFT steht für Non Fungible Token.
 Ein Token ist etwas, das für einen bestimmten Wert steht. Etwas wie ein Bon oder eine Wertmarke. Im Falle von NFT handelt es sich um einen Token, der auf einer Blockchain existiert, also dort festgeschrieben ist. Non Fungible heißt nicht austauschbar. Ein NFT unterscheidet sich also insofern von einer Kryptowährung, wie dem bitcoin, der ebenfalls auf der Blockchain existiert, als dass nicht einfach ein NFT gegen ein anderes ausgetauscht werden kann und dabei beide Seiten weiterhin das gleiche in ihrem Besitz haben, wie es bei bitcoins, ebenso wie bei Fiat-Währungen wie dem Euro der Fall wäre.



Was sind übliche NFTs?

Tatsächlich ist digitale Kunst nicht unbedingt die häufigste Anwendungsmöglichkeit für NFTs. Dennoch sind in diesem Zusammenhang NFTs am deutlichsten ins Bewusstsein der Gesellschaft gedrungen sind und werden in diesem Kontext am häufigsten in nicht-Fachmedien diskutiert.
Eins der am teuersten verkauften NFTs ist das für die Nyan Cat, das für umgerechnet knapp 600 000 Dollar verkauft wurde, sowie das NFT des Bilds eines signierten Tweets von Twitter Gründer Jack Dorsey. Aber auch das NFT eines Videos mit einem Treffer von LeBron James erzielte 100 000 Dollar. Weitere Beispiele sind NFTs für den Code, den Tim Berners-Lee schrieb als er 1989 das World Wide Web erfand, oder die Seite SuperWorld, die die ganze Welt in 64 Milliarden Spots aufteilte, die man als NFTs für 0,1 Ether (im Juni 2022 würde das 175 Euro entsprechen) kaufen und weiterverkaufen kann. Außerdem Ahmed, ein 12-jähriger aus London, der mit seinem Smartphone im Sommer 2021 seine eigene NFT Collection namens Weird Whales herstellte, die in neun Stunden ausverkauft war und ihm mehr als fünf Millionnen Dollar einbrachte. Doch so enorm die gezahlten Preise für NFTs waren und (wenn auch vermindert) noch sind, so rasant ist oft auch deren Abfall. Der Tweet von Jack Dorsey, der im März 2021 für 2,9 Millionen Dollar verkauft wurde, brachte seinem Besitzer beim Verkauf nur knapp ein Jahr später noch 6800 Dollar ein.
Eins der bekanntesten Kunst NFTs, das hier zumindest erwähnt werden soll, ist „Everydays: The First 5000 Days“ von Beeple. Es handelt sich dabei um 5000 Bilder, die er an aufeinanderfolgenden Tagen gemacht hat. Mittlerweile steht das Werk in der Kritik, da es teilweise sexistische und homophobe Darstellungen beinhaltet.
Ein NFT kann also nahezu mit allem verbunden sein, digital, aber auch analog.
Ein empfehlenswertes Video zu einer ersten, aber intensiveren Einführung, ist dieses von Steve Mould, der kritisch NFTs und wofür sie stehen, beleuchtet.

Warum der Hype?

Über NFTs wird derzeit viel gesprochen, wahlweise als Zukunft des Kunst- und Kultursektors oder wichtiges Investitionsobjekt, das reich zu machen verspricht und arm zu machen droht. 


NFTs sind digitales Besitzertum. Das gilt für Kunstobjekte, aber auch in bereits existierenden digitalen Communities wird Besitz durch NFTs festgelegt. Bei einer zunehmenden Verschiebung in digitale Realitäten und dem damit einhergehenden Ziel eine digitale Identität mit Attributen auszustatten, spielen NFTs eine Rolle.

„Wie muss man sich das später vorstellen? Man trifft sich in Decentraland und anderen virtuellen Welten, bewundert die Gucci- oder Vetement-Outfits der anderen und schaut einander in die Taschen, um die Kunstsammlung zu prüfen?
 Ja. Genauso muss man sich das vorstellen.“
(Kolja Reichert: Kryptokunst.)

Man spricht daher auch oft abfällig von "Bragging Rights", die man durch den Besitz von NFTs erhält.

Letztendlich geht es bei NFTs wie beim analogen Kunstmarkt wie bei Pokémon-Sammelkarten wie bei signierten Autogrammkarten immer darum, was und wem in unserer Gesellschaft Wert beigemessen wird. Das ist gewiss zu hinterfragen, aber kein neuer Mechanismus im kapitalistischen Zeitalter.

 NFTs sind das Versprechen einer neuen Technologie, einer Innovation, die etwas verändert, die neu ist, was für viele Menschen Grund genug ist, Teil der Bewegung darum sein zu wollen. Natürlich hat der Hype auch mit Spekulation zu tun, mit Lust am Risiko und Experimentierfreude.
 

"In the digital world, everything can be tokenized, monetized and democratized. The only requirement for participation is the possession of a cell phone connected to the internet."
(Ric Edelmann: The Truth about Crypto)

Von einem anderen utopistischen Standpunkt her versprechen NFTs demokratischere Plattformen und Geschäftsmodelle, die Möglichkeit für Künstler*innen Werke, die physisch nicht zwangsläufig besitzbar sind, autonom zu verkaufen, ohne vermittelnde Institution. Während beispielsweise Streamingplattformen wie Spotify längst in Verruf geraten sind, den Musiker*innen extrem wenig Geld für ihre gespielte Musik weiterzugeben, bieten NFTs und die Technologie um Blockchain Möglichkeiten künstlerische Arbeit anders zu unterstützen.


So wie das Internet 1.0 einst ein Versprechen von Meinungsfreiheit und mehr Demokratie war dann aber vor allem Facebook, Uber und Amazon hervorbrachte, hat die Blockchain Technologie das Potential diese Versprechen wieder aufleben zu lassen. Problematisch ist, dass die fruchtbare und vielleicht sogar subversive Nutzbarkeit sich hinter einem für Laien komplexen System verbirgt und abschreckt. Deshalb soll diese Recherche ein erster Zugang sein, sich besonders aus einer kulturschaffenden Position heraus den Themen anzunähern, Furcht und Berührungsängste abzubauen, aber eine kritische Perspektive nicht auszusparen.


Was ist die Blockchain?

Die Blockchain ist eine Art offenes Kontobuch, bestehend aus einer Liste von Blöcken, in die Transaktionen eingetragen werden und die nicht veränderbar, nur erweiterbar ist. Das Besondere daran ist, dass nicht eine einzelne Partei oder Institution für die Überprüfung und Auflistung der Transaktionen zuständig ist, sondern dies dezentral in einem sogenannten Konsensverfahren geschieht. Eine dritte Partei zur Überprüfung und Abwicklung der Transaktion wird dadurch überflüssig. Denn die Blockchain ist transparent und sorgt so dafür, dass die Macht und eben das Monetarisierungsmoment der Bestätigung der Vertrauenswürdigkeit beider Parteien nicht mehr bei einer einzelnen dritten Stelle liegt. (Das ist auch der Grund, warum viele die Blockchain als zukünftigen demokratischeren Ersatz für monopolhafte Onlineunternehmen wie Uber oder AirBnB beschreiben.)
 

Die Blockchain ist eine Technologie, die neue Formen von Transparenz und demokratischem Miteinander sowie neue Möglichkeiten für Datenschutz, Schutz vor staatlicher Zensur und Urheberschutz ermöglicht. 

Dieses recht kurze Video erklärt, was die Blockchain ist, und worin ihr Potential liegt. Auf dieser Seite sind ausführlichere Informationen aufgeführt. Wichtig ist auch zu verstehen, dass Blockchain und Kryptowährung nicht das gleiche ist. Kryptowährungen wie der bitcoin oder Ether liegen auf einer Blockchain (in diesen beiden Fällen auf der Bitcoin-Blockchain und der Ethereum-Blockchain), sind aber nur eine Anwendungsmöglichkeit der Technologie. 


Die Blockchain-Technologie bedeutet unter anderem neue Möglichkeiten und Wege für Kunstproduktion und -verkauf. Die Musikerin Imogen Heap ist ein bekanntes Beispiel für Künstler*innen, die mit diesen Mitteln für mehr Autonomie bei der Monetarisierung, Verteilung und dem Verkauf ihrer Kunst arbeiten und Vorreiter*innen beim Beschreiten eines neuen Pfads sind. Sie nutzt die Blockchain-Technologie beispielsweise für mehr Transparenz bei der Verteiling der Gelder. Durch Smart Contracts kann genau festgelegt werden, wer wie viel für den Verkauf eines Werks oder das Streaming eines Songs erhält. (Smart Contracts sind Verträge, die durch Code festgeschrieben werden und für deren automatische Ausführung dann die Blockchain sorgt. Mehr Informationen finden sich hier.) So wird automatisch jede*r in der Produktionskette beteiligt. Es gibt keine undurchsichtigen Verträge, keine dritten Parteien, die Anteile einbehalten und keine monatelangen Wartezeiten für Auszahlungen. Automatisch wird mit jedem Hören eines Songs, mit jedem Abspielen eines Videos der entsprechende Anteil in die Kryptowallets der entsprechenden Beteiligten geleitet, so wie beim Verhandeln des Vertrags zuvor festgelegt. Dieses Modell würde Labels und Vertreiber nicht überflüssig machen, aber sie wären ein gleichgestellter Teil der Kette, nicht die dominanten Parts, die als einzige alles einsehen und steuern können. Ausbeuterische Monopolinhaber und Gatekeeper sollen überflüssig gemacht werden. Bücher wie „Die Blockchain Revolution“ von Don und Alex Tapscott geben aufschlussreiche Ideen hierzu.

 Aktuell ist es aber gerade die Transparenz der Blockchain, die sie auch sehr angreifbar macht. Häufige Hacks lassen Expert*innen die Sicherheit der Smart Contracts nach wie vor in Frage stellen.
Hinzu kommt, dass die Idee eine Vermittlungsinstanz zu überspringen bei der aktuellen Nutzung der Blockchain nicht konsequent durchgeführt werden kann. Es bedarf unter anderem Seiten, auf denen man ein Kryptowallet anlegt und Marketplaces, die den Verkauf von NFTs regeln. Theoretisch könnte man all diese Zwischenschritte auch selbst machen, doch das ist technisch komplex und sehr aufwendig. Außerdem bedeutet jede Interaktion mit der Blockchain finanzielle Gebühren. Auch ein NFT zu erstellen und auf einem Marketplace anzubieten, kostet eine sogenannte Gas Fee. Als weiteren wichtigen Kritikpunkt muss auf den hohen Energieverbrauch hingewiesen werden. Doch gibt es bereits Kryptowährungen, die weitaus weniger Energie verbrauchen als beispielsweise die Bitcoin und weitere Ansätze die Blockchain für mehr Nachhaltigkeit sinnvoll zu nutzen.

Aber zurück zu den NFTs.

Was bedeuten NFTs für den Kunstmarkt?

Dass sich der Hype um NFTs derart entwickelt hat, hat mit der Corona-Pandemie zu tun, die den Fokus in allen Lebensbereichen und so auch in der Kunst ins Digitale verlegte.
 Aber auch die Möglichkeit für Künstler*innen, die rein digital arbeiten, selbstständig agierend am Kunstmarkt teilzunehmen, spielt eine Rolle. 

Dies wiederum bedeutet neue Möglichkeit des Mäzenatentums für die Kunstwelt besonders für Künstler*innen, deren Arbeit bisher als digitale Objekte schwieriger an Käufer*innen vermittelbar waren. Hinzu kommt die Option sich gegenseitig zu unterstützen und unkompliziert Arbeiten von anderen Künstler*innen zu kaufen. Dass man diese dann lediglich online sehen kann, tut der Sache keinen Abbruch. Im Gegensatz zu vielen Werken Alter Meister, die an verschlossenen Lagerorten jahrelang unbesehen aufbewahrt werden, können diese Arbeiten permanent betrachtet werden. Da sie ohnehin für den Screen konzipiert sind, ist die Rezeption auf dem Smartphone Bildschirm oft nicht nur unproblematisch, sondern vielleicht sogar angebracht. Zwar konnten auch vor Aufkommen der NFTs digitale Kunstwerke verkauft werden, doch war die eindeutige Zuschreibung des Besitz nicht so leicht, durch die Möglichkeit der Vervielfachung. NFTs legen eindeutig den Besitz und auch den Ursprung, also die Urheberschaft eines digitalen Objekts fest. Diese Daten sowie alle Besitzer*innen zwischen Urheber*in und aktuellem/r Besitzer*in werden unveränderbar in der Blockchain festgehalten.
Das ist besonders für Objekte und Phänomene, die auch außerhalb der bildenden Kunst den traditionellen Kunstbegriff erweitern, interessant. Beispielsweise ein GIF, das um die Welt geht, das millionenfach kopiert, bearbeitet, versandt und geteilt wird, kann so mit Wertigkeit versehen werden und für den/die Urheber*in finanziellen Gewinn bedeuten. Oder ein Tanz, der in sozialen Medien viral geht, der von Celebrities geteilt und nachgetanzt wird, kann durch ein mit NFT versehenem Video den vielleicht weniger berühmten Erfinder*innen Geld und Credits einbringen.

Was die bildende Kunst betrifft, bemühen sich auch traditionellere Institutionen um eine Nutzung von NFTs. Oft in Verbindung mit physischen Objekten, wie Jeff Koons mit „Moon Phase“, als autorisierte digitale Kopien alter Meisterwerke in den Uffizien, oder sie werden wie in der Galerie König in einer Ausstellung gezeigt und in Gänze, oder sogar Teilstücken online verkauft. Für weniger renommierte Künstler*innen lohnt sich der Verkauf von phsyischen Arbeiten mit NFT Zertifikat allerdings weniger.

Johanna Neuschäffer und Anne Schwanz von Office Impart Berlin beschreiben folgende Genres von Kunst NFTS:

- digital art

- generative art (also Kunst, die durch Algorithmen beeinflusst oder produziert wird und damit spielt)

- crypto art (konzeptionelle Kunst, die sich mit Kryptographie und der Blockchain beschäftigt)

- photography

- historical NFTs (das ist digitale Kunst, die auf deren Geschichte Bezug nimmt, beispielsweise die Ästhetik des Windows95 aufgreift oder Internetphänomene und Techniken der Nullerjahre)


Grundlegend ist zu sagen, dass der Kunstmarkt sich besonders für eine Öffnung zu NFTs und Experimenten mit digitalen Technologien eignet, da er ohnehin eine gewisse Offenheit und unregulierten Charakter birgt. Darin unterscheidet er sich stark von der darstellenden Kunst, die nie mit finanzieller Spekulation in Verbindung kam. Es ist fragwürdig, ob im Tanz dementsprechend überhaupt Interesse und Struktur vorherrscht, die eine Kombination sinnvoll machen würde. Vor allem in Deutschland herrscht scheinbar große Skepsis gegenüber diesem Themenfeld. Dieser Frage soll in der Sektion "Interviews" nachgegangen werden.


NFTs und Gaming

Der größte NFT Markt ist der für Sportsammelkarten. Als schimmernde Hologramme stilisierte Videos, die NBA Stars beim Dunken zeigen, erreichten Millionenwerte und sind Sammlerstücke. Die Idee des Sammelns greift für viele finanziell erfolgreiche NFT Projekte, beispielsweise die CryptoPunks, die zu den ersten ihrer Art gehören, oder CryptoKitties. Bei letzteren macht sich auch das Erfinderreichtum der Kreateur*innen bezahlt, so können die Besitzer*innen zwei verschiedener NFTs zu CryptoKitties diese beiden ein neues einzigartiges Kätzchen erschaffen lassen. Beide sind außerdem typisch für die NFT-Ästhetik.


Kolja Reichert schreibt in Kryptokunst: „CryptoPunks und CryptoKitties wären in keinem anderen Medium und mit keiner anderen Technik entstanden. Sie dürfen damit als Maßstab für spezifische und deshalb gelungene Krypto-Kunst gelten.“


Des Weiteren werden NFTs benutzt um In-Game Items zu verkaufen. Das können beispielsweise Waffen oder Ausrüstung in Rollenspielen sein. Aber mittlerweile ist es auch möglich mit NFTs den Besitz von digitalen Immobilien festzulegen, bzw. diese zu kaufen und weiterzuverkaufen, beispielsweise in dem berühmten Onlinespiel Fortnite. Ohne genauer auf diese Möglichkeiten einzugehen, geben diese Aspekte eine grobe Ahnung davon, was hinter der Technologie der NFTs noch für Möglichkeiten stecken könnten.



Wo kann man NFTs kaufen?

Die bekanntesten Marketplaces für NFTs sind unter anderem Opensea, Objkt, Rarible, Foundation, NiftyGateway.
 Hier wird also klar, dass auch der Verkauf von Kunst mit NFTs nicht ohne vermittelnde Verkaufsinstitution möglich ist. Allerdings gibt es auch Community-geführte Seiten wie teia.art oder hic et nunc. Andere Marketplaces profilieren sich durch besondere NFT Sparten, wie beispielsweise die Seite für generative NFTs fxhas.xyz.
Um auf diesen Marketplaces etwas kaufen zu können, braucht man ein Wallet mit Kryptowährung. Hierfür gibt wiederum es verschiedene Plattformen, häufig wird Coinbase als beste Plattform eingeordnet, sie ist nur leider nicht für Menschen mit Wohnsitz in Deutschland verfügbar. Benutzerfreundliche Alternativen sind Kraken oder Binance, es gibt aber auch viele weitere. Am besten man schaut sich eine (aktuelle) Vergleichsseite an, wie beispielsweise hier und entscheidet, nach den entsprechenden Kriterien.


Auf der Seite des jeweiligen Marketplaces muss dann ein neues Wallet erstellt werden, das mit dem eigenen verbunden werden kann - und das ist schon alles.
 (Für Links zur Vergleichsseiten der Marketplaces, siehe unter dem Reiter „NFTs produzieren - ein Versuch“) 

Auf dieser Seite ist der ganze Vorgang Schritt für Schritt am Beispiel von Tezos und Objkt beschrieben, er lässt sich aber natürlich auch auf andere Währungen und Marketplaces übertragen. Falls man auf Unterschiede stößt, beispielsweise in der Bezeichnung einzelner Aktionen gibt es für fast alles sehr konkrete und leicht verständliche Tutorial Videos auf You-Tube. Wer also selbst ein NFT erwerben möchte, kann das ohne große Vorkenntnisse tun.

Eine interessante Eigenschaft beim Kauf und Weiterverkauf von NFTs ist der Aspekt der Ongoing Royalty. Das bedeutet, dass bei jedem Weiterverkauf des NFT ein festgelegter Anteil automatisch, festgelegt im Smart Contract, an das Kryptowallet des/der Produzent*in geht. Es ist lediglich zu beachten, dass dies bei der Herstellung (Minting) des NFT festgelegt werden muss und dass Royalty nur ausgezahlt wird, wenn das NFT auf dem gleichen Marketplace weiter verkauft wird.

Tatsächlich erfolgt der größte Teil des Austausch von NFT-Schaffenden über Twitter und Discord. Während Discord etwas weniger intuitiv benutzbar ist, lässt sich bei Twitter mit einigen Suchbegriffen (#NFT, #dancenft, #nftcreator etc) sowie dem Folgen einiger bekannterer Tanz NFT Creators (siehe Verlinkungen im Reiter Tanz und NFT) schnell ein Eindruck gewinnen. Die meisten Accounts und Diskussionen kommen aus dem englischsprachigen Raum.













Was ist TikTok?

TikTok ist eine digitale Plattform, die 2016 vom chinesischen Unternehmen ByteDance gegründet wurde. Sie dient der Erstellung und dem Teilen kurzer Videos mit einer Dauer von 15 Sekunden bis üblicherweise 3 Minuten. (Können bei Bedarf auch auf 10 Minuten ausgeweitet werden.) Die Videos auf TikTok bedienen verschiedene für die App spezifische Genres. Das sind üblicherweise kurze amateurhaft produzierte Sketche, Tanzvideos, LipSyncvideos und Pranks.

“While millennials earnestly tweet about the stress of their student loans and freelance precarity, Gen Z TikToks in joyous nihilism, mocking a society in which self-determination and upward mobility have long since collapsed.” 

Doch die App ist nicht nur wegen ihrer immernoch stetig wachsenden User*innenzahl nicht zu vernachlässigen, sondern kann weit mehr sein als das neue zeitfressende Spielzeug der Generation Z.

In dieser kurzen Keynote im Rahmen der Theater und Netz Konferenz 2021 erklärt Marcus Bösch das politische Potential von TikTok. (0:50 Min - 16:30 Min).
Auch sehr empfehlenswert ist Marcus Böschs Newsletter Understanding TikTok.

Marcus Bösch zeigt also, dass TikTok trotz bekannter Probleme wie Datenschutz und problematischer Algorithmen politisches Potential besitzt. Obwohl es immer wieder Berichte über Zensurprobleme gibt (beispielsweise ein Wortfilter, der Begriffe wie ‚queer‘, ‚schwul‘, oder ‚trans‘ herausgreift) hat sich die App auch einen Namen als Safe space und Communityplattform für queere und marginalisierte Menschen gemacht.


TikTok und Kunst

Während der Covid19-Pandemie erlangte TikTok auch zunehmend Bedeutung für Künstler*innen, die die Plattform nutzten, um ihre Arbeit zu teilen. Teilweise arbeiteten renommierte Institutionen der Bildenden Kunst mit der App, oft waren es aber auch zuvor unbekannte Künstler*innen, die sich mit TikTok einen Namen machten.
Kunsthistorikerin und Cultural Researcher Anne Gerlieb vergleicht TikTok mit einer Art Studio Visit, bei dem Besucher*innen Einblick in den Arbeitsprozess und den Working Space der Künstler*innen haben. Instagram würde dagegen eher wie ein digitaler Ausstellungsort für die Präsentation fertiger Arbeiten benutzt. Hashtags wie feministartist sorgten für Communitybildung und bilden Resistenz gegen exkludierende und marginalisierende Algorithmen.

Anne Gerlieb beschreibt fünf Typen von Videos, mit denen Künstler*innen üblicherweise TikTok bespielen:
- Performance
- Work-in-progress
- direct address videos (hier spricht der/die Künstler*in direkt in die Kamera)
- reviews (Arbeiten anderer oder Ausstellungen besprochen)
- sociohistorical videos (Videos mit kunstgeschichtlichem oder politischem Content)


Tanz auf TikTok

Außerhalb der Kunst-Bubble gehören neben den Sketches und Direct Addressvideos Tanzvideos zum größten Teil des Contents auf TikTok. Meistens haben sie eine Dauer von weniger als einer Minute. Die Tanzenden schauen dabei in die Kamera, performen Bewegungen, die oft Bezug auf die Lyrics nehmen, die sie währenddessen lipsyncen. Die Musik ist meistens aktuelle Popmusik, oder auch Rap, Cloudrap, R’n’B. Der Stil erinnert durch seine Orientierung an die Lyrics der Songs an den Videoclipdancingtrend der Nuller Jahre. 

Die Raumnutzung ist begrenzt, da die Kamera an statisch bleibt und die Tanzenden - meistens ein oder zwei, selten mehr Personen - vertikal aufnimmt. So kann es Raumnutzung nach vorn und hinten geben, seitlich jedoch nur stark eingeschränkt. Die Arme und Hände dominieren den Tanz, die Bewegungen sind konstant und oft zeichenhaft. Die Hüfte macht betonte kreisende Bewegungen, oft gehen die Tanzenden abrupt breitbeinig in die Knie, hüpfen oder kicken. Der Blick ist stets in die Kamera gerichtet, meistens wird während des Lipsyncens gelächelt. Teilweise werden Elemente des Voguing oder andere Tanzstile, die ihren Ursprung in verschiedenen von POC hervorgebrachten und geprägten Stilen haben, benutzt. Die Meinungen teilen sich hier zwischen Vorwürfen der Appropriation, vor allem wenn die Creators POC sind, und der Begeisterung für TikTok "as a place where black performance travels beyond its original contexts.” 

Die Videos werden oft im öffentlichen Raum aufgenommen, oder in den privaten Wohnungen der TikToker*innen, selten in white spaces oder Studios.

Wer tanzt auf TikTok?

Die berühmteste TikTok Influencerin, die vor allem tanzt, ist Charli D’Amelio. Sie wird als erfolgreichste TikTokerin gehandelt und war die erste, die zunächst 50 Millionen und dann 100 Millionen Follower*innen auf TikTok hatte.
Allgemein sind es vor allem Teenager und junge Menschen, die dort tanzen. Ebenfalls berühmt ist der Tänzer Michael Le, der bereits den TikTok Vorgänger Musical.Ly nutzte und oft Videos postet, in dem er mit seinem kleinen Bruder tanzt und so Tanz und kleinere witzige Szenen verbindet. Zu erfolgreicheren deutschen TikToker*innen, die tanzen, zählt beispielsweise Katharina Wichelhaus. 

Besonders mit Beginn der Pandemie haben sich zunehmend professionelle Tänzer*innen der Plattform zugewandt, zumindest im nordamerikanischen Raum, wie hier die New York Times schreibt. Sie beschreiben die Freude, die ihnen die Art zu tanzen gab, die sich durch Leichtigkeit und Playfulness auszeichnet. Außerdem ermöglichte es ihnen ihren Alltag anders zu strukturieren und trotz geschlossener Theater und Opernhäuser vor einem Publikum zu tanzen, auch wenn dieses plötzlich ein anderes war. Sie tanzten Challenges und genossen es andere Stile auszuprobieren als die, die bspw. in klassischen Kompanien von ihnen gefordert wurden. “The dancers are so engaged with their faces. I’ve been doing this postmodern neutral dance face for like a decade. I need to activate my face!” sagte Darrian O'Reilly, die Modern Dance am East Los Angeles College unterrichtet. 

Dennoch scheint die Welle (noch) nicht zu professionellen Tänzer*innen in Deutschland übergeschwappt zu sein.

Die Challenge

Ein häufiges Tool ist die Challenge: eine Choreographie zu einem nur sehr kurzen Ausschnitt eines Songs, der dann von möglichst vielen Leuten nachgetanzt wird. Es gibt zahlreiche berühmte Challenges zu Popsongs, die viral gingen, viele Leute erreichten und durch das Nachtanzen durch Celebrities Berühmtheit erlangten. Gerade das Nachtanzen und die sich häufenden und schnell verbreitenden Videos der Challenge verhindern allerdings oft die Festlegung und Überlieferung der Urheberschaft. Die Option durch Popularität und viele Follower*innen auf TikTok Geld zu machen wird erschwert wenn die Urheberschaft erfolgreicher Challenges den Falschen zugeschrieben wird. Häufig kommt es vor, dass TikToker*innen mit größerem Following die Challenges anderer tanzen, ohne diesen Credits zu geben. 

Ein Beispiel ist die Challenge Renegade, der damals 14-jährigen Jalaiah Harmon. Wie viele Teenager produzierte Jalaiah ihre Videos zunächst auf anderen Plattformen wie Dubsmash, Funimatee oder Triller und teilte sie dann auf Instagram.  Viele der so veröffentlichten und dann erfolgreichen Videos wurden erst anschließend zu Challenges auf TikTok und dort dann häufig ohne eine Nennung der Creators. So geschah es auch mit Renegade und die Challenge, die viral ging, wurde der damals schon überaus erfolgreichen Charli d'Amelio zugesprochen und trug automatisch zu deren Erfolg bei. Als Jalaiah später die Sache zunehmend Publik machte, sprach Charli ihr Credits aus und die beiden tanzten sogar gemeinsam die Challenge. Doch ist es nur eins von vielen Vorkommnissen, bei denen weiße TikToker*innen mit bereits großem Following die Choreographien von nicht-weißen Teenagern benutzten und damit zu ihrem eigenen Erfolg beitrugen.

Ein anderes Beispiel ist die erfolgreiche TikTok Challenge zu Cardi B's Song Up aus dem Jahr 2021. Die beiden Tänzer*innen Mya Johnson und Chris Cotter kreierten die Challenge, die so viral ging, dass sogar Cardi B selbst mehrfach Videos davon teilte. In der berühmten amerikanischen Jimmy Fallon Show wurde die Challenge dann von Addison Rae, einer sehr viel berühmteren TikTokerin getanzt - natürlich ohne den Name der Erfinder*innen zu nennen.

Inzwischen scheint aber durch regelmäßiges Outcallen innerhalb der TikTok Szene mehr Bewusstsein für die Relevanz von Credits zu entstehen und die meisten erfolgreichen Challenges sind mit  dc (dance credits) auf den Namen des/der jeweiligen TikToker*in in der Caption zum Video versehen.
Aktuell (Mai 2022) wandert wieder eine TikTokChallenge durch den Algorithmus. Es ist eine kurze Choreographie zu About Damn Time von Lizzo. Der Rolling Stone beschreibt wie Lizzo die TikTok Challenge dafür nutzte, ihren Song zu promoten und seinen Erfolg voranzubringen. Außerdem fragt Brittany Spanos in dem Artikel, ob der langsam zurückgehende Trend der TikTok Tänze dadurch eine Renaissance erlebt.


Was können NFT denn jetzt aber für Tanz bedeuten?

Tanz im klassischen Sinne einer Bühnenkunst wirkt erst einmal denkbar weit entfernt von digitaler Kunst, von allem, was in den oben stehenden Texten über Kryptowährung, virtuelle Sammelkarten und Katzen des Internets steht. Tanz ist eine darstellende Kunst, die durch den Live-Charakter lebt. Natürlich gibt es Videos, aber auch das hat die Pandemie gezeigt: Sie sind selten ein Ersatz für das Erlebnis des Aufführungsbesuchs.

Doch eine wichtige Eigenschaft teilen Tanz und digitale Kunst:
 Auch Tanz ist vervielfältigbar, kann kopiert werden und ist nicht als physisches Objekt besitz- oder sammelbar. Jede*r (mit den entsprechenden physischen Voraussetzungen) kann es nachtanzen, ebenso wie jede*r ein digitales Bild weiterleiten oder kopieren kann.

Der Besitz und das damit verbundene Sammeln von Tanz - nicht im Sinne von Urheberrecht oder Autor*innenschaft und auch nicht im Sinne des Besitzens einer seltenen Aufzeichnung, sondern tatsächlich auf den einen spezifischen Moment ihrer Ausführung bezogen - scheint aus einer klassischen Tanzperspektive vielleicht zunächst absurd. Aber warum eigentlich?

Zu Beginn meiner Recherche habe ich mich gefragt, inwiefern der Gedanke Tanz festhalten zu wollen, ihn besitzbar und sammelbar zu machen dem transitorischen Aspekt und maßgeblichem Live-Charakter des zeitgenössischen Tanz widerspricht. Tatsächlich geht der grundlegende inhaltliche Gedanke stark auseinander. Dennoch gilt es auch zu unterscheiden: NFTs sind erst einmal keine bestimmte Art von Kunst oder Tanz, kein Genre und auch kein neues Rezeptionsformat. Sie sind ein Zertifikat, eine Möglichkeit der Besitzbarkeit und der Kapitalisierung. 

Ein Blick auf die NFTs in der Bildenden Kunst zeigt, dass diese für zwei sehr verschiedene Gruppierungen auf unterschiedliche Weise Sinn machen. Zum einen für etablierte Künstler*innen, die dadurch ihre Art Kunst zu verkaufen vielschichtiger machen und einen neuen Markt erreichen. Zum anderen für (noch nicht zwangsläufig renommierte) Künstler*innen, die digital arbeiten. Digital arbeiten bedeutet nicht nur oder ausschließlich eine digitale Repräsentation, sondern alle Formen, die digitale Technologie als Teil ihres kreativen Produktionsprozesses verstehen.

Mehr Aufschluss über die Frage nach spezifischen Formästhetiken bei Tanz NFTs gibt ein Blick auf Tänzer*innen und Performer*innen, die bereits mit NFTs arbeiten. Zwei Beispiele finden sich hier von Dancevatar und Kristina Rogozina. Beide Tänzerinnen erzeugen kurze Videos, die nicht lediglich sie selbst beim Tanz abbilden, vielmehr verbinden sie ihren Tanz mit visueller Kunst und Videoarbeit, führen den Tanz also über die körperliche Bewegungsabfolge hinaus wie es auch ein Bühnenstück tun würde, nur eben mit anderen Mitteln. Auch sie nutzen also die Technologie nicht nur zur Produktion, sondern als Teil der kreativen Konzeption wie auch der Umsetzung.

Ein anderes Beispiel eines recht erfolgreichen NFT Tänzers ist Matías Hinoyosa, ein chilenischer Krumptänzer, der in seinen Videos seinen Tanz vor surrealistisch anmutende Kulisse setzt. 

Wieder andere Künstler*innen benutzen ihren Background im Tanz als Ausgangspunkt für visuelle Arbeiten, wie Diego Mac.

Weitere Tänzerinnen, die NFTs verkaufen, sind unter anderem:
https://twitter.com/NicolasGaticaCM / https://foundation.app/@CryptoMoves
https://twitter.com/olivialburgess / https://foundation.app/collection/eden-6477
https://twitter.com/sventaylor / https://opensea.io/collection/moving-through-the-blockchain

Ein Künstler aus dem deutschsprachigen Raum, der mit Tanz als Element arbeitet, findet sich hier:
https://twitter.com/TheMadMercenary/https://objkt.com/profile/tz1PEkni8U4XKXLNtspcFF2jXkyGkfMyPjoL/created

Interessanterweise scheinen die meisten Tänzer*innen Foundation als Marketplace zu benutzen. Die Plattform konnte anfangs nur mit Einladung verbunden benutzt werden, ist mittlerweile aber allen zugänglich. Warum sie sich als Plattform für Tanz und Performance NFTs aus dem englischsprachigen Raum durchgesetzt zu haben scheint, ist unklar, vor allem da die Gebühren dort sehr hoch sind.

Auffällig ist, dass es sich vor allem um Solokünstler*innen (maximal auch im Duo wie Neosutras arbeitend) zu handeln scheint, die zwar häufig in Kolloboration mit Visual oder Digital Artists arbeiten, aber meistens allein als Tanzende im Bild zu sehen sind. 

Ästhetisch steht die Verbindung der Bildarchitektur mit der Bewegungskomposition im Vordergrund. Oft ist die Bildlandschaft, in der sich die Körper befinden, in Abhängigkeit zur Choreographie gestaltet oder die Bildumgebung bewegt sich sogar in Korrelation zu Körperlinien und Bewegungen der tanzenden Person. Die digitale Bearbeitung der Videos sorgt für eine zusätzliche Abstraktionsebene. Die Künstler*innen verkaufen also nicht nur ihren Tanz als NFTs, sondern führen Tanz als Mittel in einen Entstehungsprozess ein, indem im Zusammenspiel mit Setting, Bildkomposition, Kamera und digitaler Bearbeitung ein digitales Kunstwerk erzeugt wird. Häufig sind die Videos als Loops bearbeitet und die sich endlos wiederholenden Bewegungen entwickeln eine Art Sogwirkung. Konkrete Inhalte scheinen eher weniger transportiert zu werden, was auch an der begrenzten Dauer der Videos liegen kann. (Zwar ist es durchaus möglich ein längeres Video als NFT zu minten, doch eher unüblich, da mit größerem Datenvolumen auch die Gebühren für den Upload steigen.)

Auf die Frage, ob Tanz und NFTs sich bereits ausschließen, weil die grundlegende Eigenschaft des Live-Moments nicht gegeben ist, lässt sich hier also antworten, dass Tanz in diesen Beispielen auf andere Weise benutzt wird als auf der Bühne. Es ist nicht die Einmaligkeit und Nicht-Wiederholbarkeit eines ephemeren Aufführungsmoments, sondern gerade die Möglichkeit sich etwas immer wieder anzuschauen, die Tanz als digitales Mittel auszeichnet. Auch wird Tanz mehr zum gleichberechtigten Mittel neben anderen statt zum Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Der Körper ist nicht das fleischliche Gegenüber, das mit uns, also den Betrachter*innen, in Ko-Präsenz tritt, sondern Teil der digitalen Welt, in der er sich verhält und die er durch seine Formen und Bewegungen ästhetisch mit gestaltet. Dies lässt inhaltlich konzeptuell an Themenkomplexe des Transhumanismus denken, kommt allerdings ohne die Cyborg-Ästhetik aus, die in Bühnenarbeiten oft bei der Auseinandersetzung hiermit anklingt. Vielmehr scheint der Körper auf natürliche Art Teil der digitalen Welt geworden zu sein. Sein virtuelles Abbild ist ebenso bearbeitet wie das ganze digitale Bild dessen Teil er ist. An seinem Tanz fasziniert uns nicht seine körperliche Anwesenheit, sondern seine Zugehörigkeit zur Welt auf unserem Screen. Tanz wird hier nicht digital rezipiert oder nur übertragen, sondern Tanz wird bei diesen Arbeiten zu digitaler Kunst.

Ein anderes Beispiel für NFTs in Kombination mit Tanz ist die Aktion der Tanzagentur AMCK DANCE aus London. Die von ihnen zum Verkauf angebotenen Dateien zeigten zwar keinen Tanz, aber die Gesichter der Tänzer*innen, die durch die Agentur vertreten werden im Stil von Sportler*innensammelkarten. Außerdem waren mit dem Kauf der NFTs bestimmte Benefits verknüpft, wie beispielsweise Mentoring durch die Gründerin der Agentur, Zugang zu Extra Merchandise usw. AMCK hat NFTs als Möglichkeit zur Förderung und Fanbildung verstanden und genutzt. Am 22.2.22 wurde die Kollektion auf OpenSea gedroppt, leider sind sie dort nicht mehr auffindbar, weswegen unklar bleibt, wie erfolgreich die Aktion war.

Neben den eigens für NFTs und als digitales Format produzierten Arbeiten bieten sich meiner Einschätzung nach und basierend auf den bisherigen Rechercheergebnnissen zwei weitere Möglichkeiten für die Verbindung von Tanz und NFT an:

Einem ausgeführten tänzerischen Vorgang, der Aufführung einer bestimmten und bereits bekannten analogen Choreographie kann ein NFT zugeordnet werden. Dies lässt sich daran ablesen, dass zwar der bloße Verkauf mit NFTs von physischen Objekten nur schlecht funktioniert, es sei denn es ist bereits ein renommierter Name daran gekoppelt. Beispielsweise könnten Teile der berühmten Choreographie mit Stühlen aus Pina Bauschs Café Müller als NFT verkauft werden, die durch ihre Bekanntheit und die Relevanz der Choreographin mit Sicherheit Sammlerwert hätten. Hierfür könnte es zusätzlich ein digitales und zertifiziertes Video geben.

Ein fiktives Beispiel:  In C von Sasha Waltz & Guests 

Um Anregung dafür zu geben, welche bereits bestehenden Tanz- oder Performanceoprojekte sich für ein NFT Projekt eignen könnten, möchte ich am Beispiel von Sasha Waltz' Arbeit In C beschreiben, wie so eine Umsetzung aussehen könnte und welche Ansatzpunkte ich für vorstellbar und sinnvoll halten würde. In C ist mir hierfür aufgefallen, weil meiner Ansicht darin Produktionsprozess, analoge Bühnen-Tanzperformance und das Fortführen derer inhaltlichen und ästhetischen Grundgedanken als digitale Objekte miteinander verschränkt werden könnten. 

In C ist eine Performance von Sasha Walt & Guests, die unter pandemischen Bedingungen und Einflüssen entstanden ist. Sasha Waltz & Guests bezieht sich darin auf das Minimal Stück In C von Terry Riley von 1964. Dieses besteht aus 53 musikalischen Phrasen. Die Choreographie besteht dementsprechend aus 53 nummerierten Bewegungsphrasen, die modular benutzt werden. Die Tänzer*innen arbeiten sich durch diese Phrasen, sie improvisieren ihren eigenen Weg, es gibt aber klare Regeln und Absprachen. Dementsprechend müssen die Tänzer*innen einander im Blick halten und aufeinander reagieren, das System ist flexibel aber bleibt geschlossen. Die Idee der Arbeit ist es, dass sie sowohl digital als auch analog und mit verschiedenen Besetzungsstärken stattfinden kann. Außerdem ist in der Konzeption bereits eine potentielle Öffnung nach außen eingearbeitet, beispielsweise gibt es Youtube Tutorials, mit denen man die Bewegungsphrasen erlernen kann und in der Projektbeschreibung ist von einem Nachtanzen mit Kindern und Laien die Reden. 

Ich habe In C zum einen als Beispiel gewählt, da es für mich inhaltliche Verwandtschaft mit Ideen, Chancen und Struktur der Blockchain aufweist. Die Bewegungsphrasen sind durch nummeriert, sie dürfen nur in dieser Reihenfolge durchlaufen werden. Vor- und Nachfolger der Phrasen sind unveränderlich und die Tänzer*innen sind zwar frei in welcher Geschwindigkeit sie sich von einer Phrase zur nächsten begeben, dürfen aber als gesamte Gruppe nie mehr als vier Zahlen auseinander liegen. 

In C strebt eine Art des demokratischen und dezentralen Choreographierenan, bei der die Beteiligten überall auf der Welt sein können und die für alle geöffnet werden soll. Auch Terry Riley beschrieb seine Komposition als "democratic score", in dem es unumstößliche Regeln gibt, die den Ablauf garantieren. Die Teilhabe der vielen garantiert den Erfolg der Performance, nicht die Macht einer einzelnen reglementierenden Person oder Institution.

Zum anderen weist das Projekt Aspekte auf, die für das Erstellen und Verkaufen von NFTs sehr interessant sind. Durch die Youtube Tutorials werden die Bewegungsphrasen verbreitet, können geteilt und nachgetanzt werden. So kann ein gewisser Grad an Online-Bekanntheit bereits erlangt werden. Außerdem können nicht nur die Bewegungsphrasen separat als einzelne NFT, sondern darüber hinaus als Set verkauft werden. Matt Fortnow und Quharrison Terry weisen in ihrem NFT Handbuch darauf hin, dass die erfolgreichsten NFTs Teil von größeren Sets waren, wie die schon erwähnten Cryptopunks oder die NBA Topshot NFTs. Das macht ihr Sammeln attraktiver und schmälert nicht ihren Einzelwert. Außerdem könnte man Regeln aus der Choreographie in die Stuktur der NFT-Verkäufe übertragen. Beispielsweise würde die Nummerierung der NFTs der der Bewegungsphrasen entsprechen und ähnlich wie die Tänzer*innen während der Ausführung nur vier Nummern voneinander entfernt sein dürften, dürften Sammler*innen keine zwei NFTs besitzen, die mehr als vier Nummern auseinander liegen o.ä. Des Weiteren ist Sasha Waltz eine sehr renommierte Choreographin. Ein NFT Drop mit ihrer Arbeit würde definitiv schnell auf Interesse stoßen. In meiner Recherche habe ich keine Hinweise darauf gefunden, dass Sasha Waltz & Guests bereits mit NFTs arbeiten.


Die zweite Anwendungsmöglichkeit wäre einer Tik Tok Challenge, die eine kurze Choreographie zu einem Popsong beinhaltet ein NFT zuzuordnen. Das hätte den Vorteil, dass die Interessenten bereits in der digitalen Welt zuhause wären und Tanz in digitalen Formaten kein Novum für sie. Die Hemmschwelle sich mit digitalem Besitz zu beschäftigen und Faszination dafür zu entwickeln, läge viel niedriger. Beispielsweise eine der berühmten TikTok Challenges, die von Millionen von Menschen nachgetanzt werden, deren Urheber*innen dafür oft kein Geld und teilweise nicht mal eine Nennung in Form von Credits oder Tags erhalten, hat bereits eine große Fangemeinde, die online mit dem Werk in Kontakt ist.

Es lässt sich also erkennen, dass NFTs für TikTok insofern bedeutsam sein könnten, dass sie eindeutig Urheberschaft festlegen könnten und nicht nur Credits, sondern auch Follower*innenzahlen für Tänzer*innen bedeuten würden und damit auch medialen wie monetären Erfolg. Das ist besonders interessant, da viele erfolgreiche Challenges (mehr dazu siehe "Tanz und TikTok") von jungen POC stammen und dann dennoch privilegiertiere Stars statt ihnen selbst davon profitieren. Die Möglichkeit durch NFT also Urheberschaft festzulegen und potentiell durch Verkauf und Royalties an jedem Verkauf und Weiterverkauf dieser finanziell teilzuhaben, wäre also durchaus positiv zu bewerten.
Tatsächlich gab es bereits einen ersten NFT Drop von TikTok im September 2021, der sich aber scheinbar primär mit bereits berühmten Usern wie Lil Nas X oder Grimes beschäftigt (die wenig überraschend bereits ein absoluter Profi mit NFTs ist).


Um ein kurzes Meinungsbild von Tanzschaffenden bezüglich ihres Interesses und ihrer Offenheit gegenüber NFTs sowie der Frage, welche Rolle digitale Technologie für ihre Arbeit spielt, zu erhalten, habe ich in einer kurzen Emailumfrage Tänzer*innen nach ihrer Meinung und Erfahrung gefragt.


Welche digitalen Tools nutzt du für deine Arbeit?

- Für den Arbeitsprozess nutze ich Video zum Überarbeiten der Choreografien. Die Umsetzung beinhaltet teilweise Film oder Video oder animierte Bilder als Teil des Bühnenbildes.

- zoom, youtube, facebook, spotify, imovie, google drive, iphone kamera, dropbox, instagram

- I use my own website and actually mainly instagram. No tiktok, I hate tiktok, I think it takes away the authenticity of dance and it takes away work, credits and people’s ownership 

- Für meine Arbeit nutze ich, Beamer, Hologram, Live Camera, 3D Scanner, Ableton (Musikprogramm), Instagram. Wireless Transmitter.

- Instagram um arbeiten zu bewerben oder kurze Ausschnitte zu teilen. YouTube und Vimeo um Trailer hochzuladen und zu teilen oder mit meiner Webseite zu verlinken.

- Video zur Dokumentierung, Googletools zum Teilen und Besprechen


Wie archivierst und dokumentierst du deine Arbeit?

- Ich dokumentiere die Arbeit hauptsächlich filmisch, veröffentliche sie aber nicht. Einzelne Ausschnitte der Arbeit sind auf You-Tube.

- zoom, vimeo, youtube, google drive, smartphone app, dropbox, external hard drive, camera, SD card, USB Stick, hand written, documents, fotos, video, sound recording

- mainly film, photography, or visual work like in an artwork

 - Filmen.

- Ich dokumentierte meine Arbeit filmisch und lade häufig Videos auf Vimeo oder YouTube. Manchmal sind die Video öffentlich oder aber privat und nur für mich sichtbar. Manche Videos sind auch nur auf meiner externer Festplatte gespeichert und nicht online. Außerdem ist meine Webseite auch eine Art Archiv mit Arbeitsproben/Ausschnitten/Videos und Probendokumentation.

- durch Videoaufzeichnungen auf Festplatten und vimeo Accounts


Hattest du schon Probleme damit, dass andere deine Arbeit kopiert haben und schützt du dich dagegen?

- Das weiß ich nicht.

- Das nicht gewollte Kopieren meiner Arbeit ist mir nicht bekannt. Ich würde meine Videos mit einem Passwort schützen und nur für gezielte Viewers freischalten.

- I havent, but I know that people have. I think when you upload dancefilms on instagram it is quite difficult for people to keep them away from copying.

- Keine Kopie meiner Arbeit, ich schütze mich auch nicht. Eigentlich bin ich froh wenn andere Künstlerinnen, inspiriert durch meine Arbeit in ähnliche Richtungen Recherche betreiben.

- Eigentlich noch nie.

- nicht das ich wüsste


Wenn es die Möglichkeit geben würde, würdest du gerne Teile deiner Arbeit an Liebhaber*innen/Sammler*innen verkaufen?

- Ich denke das ist bei Tanzstücken nicht relevant. Wenn ein Künstler oder eine Künstlerin die Bühne gestaltet, könnte ich mir das vorstellen.

- Ich habe das Gefühl, dass ich immer wenn ich auf der Bühne stehe "meinen" Tanz verkaufe, oder wenn ich durch unterrichte "meine" Bewegungen weitergebe, oder ausdrücklich dazu auffordere. Eine Möglichkeit ist auch "if value then copy" = ein Konzept mit dem Namen VINTAGE (one donates a dance, it gets captured via a smartphone app and others can choose and take/learn a dance from this app).

- I would! I think it would be really interesting to sell maybe filmworks for me as an NFT, that idea really interests me, because I am more in the visual arts and the contemporary arts as well

- Ja würde ich gerne

- Ich frage mich grundsätzlich inwiefern man Momente auf der Bühne überhaupt festhalten kann. Schon ein Video fängt oft wenig ein. Ein Live Stream ist ein komplett anderes Erlebnis. Ich frage mich, was man bei einer performativen Arbeit kaufen könnte, dass dem gerecht wird. Oder wie wir eine digitale Form von Performances finden können, die spannend bleibt. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl meine Rechte an meiner Arbeit komplett abzugeben sobald ich etwas hochladen und für alle kostenlos zur Verfügung stelle ohne dafür etwas zu bekommen.

- ich wüsste nicht, was dagegen spricht, frage mich eher, ob es einen Interessenmarkt dafür gibz


Weißt du was NFTs sind? Wenn nicht, kannst du diesen kurzen Artikel (or this one for English speakers) lesen

- Jetzt weiß ich es, hatte aber nie davon gehört.

- Nein, ich kannte es noch nicht.

- I do know what NFTs are, but I find it quite weird. I am not sure where the NFT world is gonna go.

- Ich weiß was NFT´s sind

- Das wusste ich noch nicht

- ich hatte vorher davon gehört, aber nicht so detailliert


Was denkst du darüber und könntest du dir vorstellen ein NFT von deiner Arbeit herzustellen und zu verkaufen?

- Ich selber eher nicht, aber ich kann mir vorstellen es in einen Produktionsprozess zu integrieren.

- Vor der Corona-Pandemie hätte ich vielleicht nein gesagt, nun tendiere ich aber eher zu ja, da der Tanz durch die Digitalisierung ein neues Medium gefunden hat, welches durchaus Möglichkeiten bietet um Tanz wieder mehr in der Gesellschaft zu verbreiten. Und man würde als Tanzschaffende eine neue mögliche Einnahmequelle haben um weiterarbeiten zu können.

- I don't know, if there was an NFT for dance film and people could own that if they bought it of you, that would be really cool. I know that there’s an agency who started to do NFTs from dancers, but it’s just a picture of their face. I don’t know why they’ve done it.

- Ja könnte ich mir vorstellen.

- Ich glaube es ist sehr interessant inwiefern künstlerische Arbeit in der digitalen Welt einen Wert bekommt. Oft werden meine tanzvideos auf Instagram gespeichert oder auch ich speichere Videos und Bilder, die mich inspirieren. Ich weiß nicht, ob ich mir für meine aktuelle Arbeit NFTs vorstellen kann und doch glaube ich, dass es eine interessante Zukunft haben könnte. Ich glaube mir ist es momentan ein zu großer technischer Aufwand zu verstehen wie ich das machen könnte, aber ich glaube dass ich mich damit in der Zukunft beschäftigen muss.

- Als Versuch auf jeden Fall, ob das dauerhaft der richtige Weg wäre, weiß ich nicht, da ich schon sehr auf Tanz als Bühnenkunst fokussiert bin.




Wie macht man ein NFT?

Wie beim Kauf von NFTs braucht man auch für das Minten eines NFTs ein Kryptowallet und einen Account bei einem Marketplace. HIER findet sich einer (von vielen) Überblicken bezüglich der Marketplaces und HIER ein Twitterthread zum gleichen Thema zur Meinungsdiversifizierung. In diesem Video, das ich vor allem benutzt habe, wird der Vorgang mit Tezos auf Objkt beschrieben. In diesem Video wird der Vorgang beispielsweise mit dem Metamask Wallet und der Plattform Rarible beschrieben. Es finden sich auch für die meisten üblichen Kombinationen unkomplizierte Videotutorials.

WAS MAN BRAUCHT:
- ein Kryptowallet mit etwas Guthaben: jede Interaktion mit der Blockchain kostet eine Gebühr, das sind die sogenannten Gas Fees. Deshalb sollte man sicher stellen, dass man genug in seinem Wallet hat um das NFT minten zu können. Die Preise dafür variieren.
- man braucht einen Account auf einer Plattform, muss sich also registrieren und ein Profil anlegen.
- das digitale Objekt, das man als NFT verkaufen möchte (also Video, Foto oder ähnliches als digitale Datei, das kann meistens ein Standardformat sein wie jpg, gif oder mp4 und andere übliche Formate)

AUSSERDEM GUT ZU WISSEN:
Das Kunstwerk selbst wird nicht in der Blockchain gespeichert, sondern die Metadaten. Also der Name, eine kurze Beschreibung und ein Link, der zum Speicherort des Werks führt. Die meisten Plattformen (auch Objkt) speichern die Datei auf IPFS.

DAS ERSTE NFT: Ein Versuch mit Evie Oldham.

Da das Ziel der Recherche war abschließend ein NFT zu minten und auf einem Marketplace bereitzustellen, habe ich die Tänzerin Evie Oldham gefragt, ob sie dafür mit mir zusammen arbeiten möchte. Vorab mussten wir einige Entscheidungen treffen:

Das Objekt
Wir waren uns dabei schnell einig, dass es ein kurzes Video sein sollte, das auch als solches produziert ist und keine Aufnahme einer für den analogen Raum und ein Live-Publikum konzipierten Tanzsequenz.
Da Evie ohnehin oft mit Video arbeitet, hatte sie bereits Material, aus dem wir gemeinsam eine Sequenz ausgesucht haben, die Evie dann geschnitten und wir als gif bearbeitet haben. Das Video war durch eine Art Retro-Ästhetik bereits in einem speziellen Look und gewann durch Schnitt und gif Format eine abstraktere Wirkung.

Kryptowährung und Plattform
Was die Kryptowährung betrifft, entschieden wir uns für Tezos, eine Währung, die zum einen eher für den Verkauf erschwinglicherer NFTs genutzt wird und vor allem einen viel geringeren ökologischen Fußabdruck durch geringeren Energieverbrauch hat als bspw. Bitcoin oder Ethereum.
Obwohl der Großteil der erwähnten Tänzer*innen aus dem englischsprachigen Raum, die mit NFTs arbeiten, ihre Arbeiten auf Foundation anbieten, haben wir uns gegen diese Plattform entschieden. Zum einen ist sie nicht mit Tezos kombinierbar und zum anderen werden dort vergleichsweise hohe Gebühren verlangt. Wir haben Objkt benutzt, ein Marketplace, der auf Tezos basiert und benutzerfreundlich und übersichtlich zu sein scheint. Außerdem ist er bereits sehr bekannt und vergleichsweise "alt", es gibt also zahlreiche Möglichkeiten sich bei Fragen und Problemen Hilfe und Tipps zu suchen.
Schließlich bereiteten wir gemeinsam die einzelnen Punkte vor, die beim NFT minten abgefragt werden.

Title

Description

Collection
(auf Objkt muss jedes NFT einer Collection zugeordnet sein, also einer Art Album. Man kann pro Account auch mehrere Alben haben, die nach allen möglichen Kategorien geordnet sein können. Zum Namen der Collection gehört noch ein Foto (max. 1MB) und eine Beschreibung.)

License
(Hier gibt es eine Erläuterung der verschiedenen Möglichkeiten, welche Rechte die kaufende Person mit dem NFT erwirbt)

Edition
(wie viele NFTs würden wir minten wollen)

Preis
(ein Verkaufspreis in der entsprechenden Kryptowährung)

Royalty
(welcher Prozentsatz würde bei jedem weiteren Verkauf an den Creator gehen)

Man kann diese Details, also Titel, Beschreibung etc nicht ändern wenn das NFT geminted ist. Es gibt nur die Möglichkeit das NFT zu vernichten (durch die Funktion "Burn NFT") und es neu zu minten, was wieder mit Gebühren (wenn auch geringen) verbunden ist.

Für die inhaltlichen Aspekte, also den Namen, die Beschreibung und einen weiteren Namen für die Collection konnten wir schnell gemeinsam Lösungen finden. Für die Edition einigten wir uns auf fünf und für die License auf No License um das Werk so gut wie möglich vor Weitergebrauch zu schützen. Evie war wichtig, dass ihr Name bei jeder Aktion mit dem NFT weiterhin erscheint. Während viele NFT Artists ausschließlich unter ihrem digitalen Namen agieren und oft auch nicht mit Klarnamen bekannt werden wollen, wollte sie ihr digitales Schaffen mit ihrer analogen Arbeit in Verbindung bringen. Wir entschieden also, dass ihr Name im Titel erscheinen soll, der auch auf der Blockchain gespeichert wird.

Der tatsächliche Vorgang des Minting lief sehr unkompliziert und ziemlich genau so wie in dem oben verlinkten Video erklärt. Es zeigte sich schnell, dass wirklich jede Interaktion mit der Blockchain Gebühren kostet, die sind aber äußerst gering (meistens 0,000x Tezos) und werden jedes Mal auf dem parallel zu öffnenden verknüpftem Wallet angezeigt.
Das Gif aus Evies Video „Misplaced Memories“ gibt es jetzt also HIER auf objkt.com zu kaufen.

WAS MAN DARÜBER HINAUS VOR DEM MINTEN BEDENKEN UND EVENTUELL EINBAUEN KANN:
- eine Vorschau, z.B. ein Foto in geringerer Qualität oder ein Standbild aus dem Video
- Perks, also ein besonderer Vorteil oder ein Bonus, der nur dem/der Besitzer*in des NFTs zusteht. Das könnten bspw. Vorrechte auf Ticketverkauf sein, Premierenkarten, ein persönlicher Brief des/der Creators usw. Da das oft Rechte oder Benefits sind, die man nicht unendlich weiterführen möchte, falls das NFT weiterverkauft wird, ist es auch möglich festzulegen, dass die Perks nur der ersten Person, die das NFT kauft, zustehen. Diese Zusatzvorteile können in der Beschreibung festgelegt werden.
- es gibt auch andere Verkaufsmöglichkeiten, bspw. mit einer Auktion oder einer Dutch Auktion.
- es ist möglich das eigene Tezosprofil zu customizen, indem man es mit dem eigenen Social Media Account verknüpft, was für den Verkauf und die eigene Online-Präsenz Sinn machen kann







Subversives Potential von NFT-Technologie?

Der schlechte Ruf und der bittere Beigeschmack, den NFTs mit sich bringen, wird unter anderem durch die Sicherheitslücken, die misstrauisch werden lassen, sowie die zahlreichen Berichte von Scams, Betrugsfällen und Investitionsbubbles verursacht. Hinzu kommt, dass nahezu jedes Gespräch, jede Recherche und jedes Buch auf die Verbindung von NFTs und Kapitalgenerierung hinausläuft.

Der Ansatz dieser Recherche war es innerhalb der kapitalistischen Rahmensetzung von NFTs nach Möglichkeiten für Tanz zu suchen und zu fragen, welche Chancen und welche Veränderungen die Produktion für das Mittel Tanz und für Tanzschaffende bedeuten könnte. Doch währenddessen hat sich auch die Frage aufgetan, ob sich hier vielleicht weiteres Potential für eine Nutzung in Arbeitsprozessen der darstellenden Künste verbirgt.

Meine ersten Gedanken drehten sich alle um das Strukturieren von kollektiven Arbeitsprozessen durch die Blockchain.
Als Beispiele für Organisationen, die sich auf Blockchain oder ähnliche Technologien beziehen, existieren zahlreiche DAOs, Dezentralisierte Autonome Organisationen. Das sind Unternehmen ohne zentrale Leitung, ihr Regelwerk wird in einem Code festgehalten, alle Transaktionen, Entscheidungen und Abläufe werden über die Blockchain oder andere DLTs geregelt. DAOs organisieren sich oft um gemeinsam große Investitionen zu tätigen, sind also häufig im Investmentfeld zu finden.
Allerdings könnten solche Strukturen auch für transparente Abläufe, Einhaltung eines fixierten Regelwerks und für demokratische Entscheidungsfindungen innerhalb von Gruppen und Organisationen aus anderen Bereichen, wie der darstellenden Kunst benutzt werden.
Die Aufteilung eines Fördertopfs an verschiedene Gruppen und Künstler*innen und wiederum deren Aufteilung in Personal- und Sachkosten könnte, wenn alle Transaktionen auf einer Blockchain gespeichert wären, genau nachvollzogen und offen gelegt werden und den Diskurs um Finanzierung und faire Bezahlung bereichern.
Die Ausschüttung von Gewinn könnte wie im Beispiel von Imogen Heap auf alle bezogen werden, die zu unterschiedlichen Momenten im Projekt involviert waren. Durch die Angabe von investierter Arbeitszeit, Kompetenzbereichen und Investition von Eigenkapital oder erhaltenen Förderungen könnte eine exakten Verteilung von Stimmrechtsanteilen bei Entscheidungsprozessen oder Honoraren berechnet werden, die dann automatisch zugeteilt werden. Solidarische Konzepte wie das Teilen von Honorar, Förderung und Arbeitsräumen könnten damit fair und transparent strukturiert werden. Solidarischer Ticketverkauf, Unterstützung von Künstler*innen, deren Arbeit man schätzt, alles könnte über eine neue Technologie schnell und ohne langwierige Transaktionsprozesse organisiert sein.
Welche Möglichkeiten würde das für Arbeitsprozesse in großen kollektiv arbeitenden Gruppen bieten? Wie könnte dieser Ansatz vielleicht auch auf das Gestalten von Performances mit einbezogen werden?

Doch im Gespräch mit Expert*innen hat sich diese utopische Perspektive als eine sehr optimistische und technisch-idealisierende Version der Möglichkeiten herausgestellt. Denn mit weniger technischen Kenntnissen unterschätzt man schnell die praktischen Probleme der Anwendung. Oft gibt es Fehler und Anfälligkeiten, die erst entdeckt werden, wenn die Befehle und Abläufe bereits ausgeführt wurden. Denn Code ist unerbittlich: was darin steht, passiert.
Und an wen wendet man sich wenn so ein Fehler darin geschrieben wurde? Wer überwacht die Code Schreibenden? Welche Gesetze greifen? Wer kann die Sicherheit hundertprozentig einschätzen, gerade wenn größere Summen oder sensible Daten im Spiel sind?

In Gesprächen und der Recherche über die Blockchain und andere DLTs kam die Frage auf, ob all diese aufgeführten möglichen Anwendungsbereiche, nicht auch auf andere Art umgesetzt werden könnten. Mehr Transparenz, solidarischere Konzepte, faire Bezahlung, klar strukturierte Arbeitsbeziehungen und Dezentralisierung: ist all das wirklich nur durch eine neue Technologie zu erreichen? Könnten wir nicht durch bereits existierende und für Kunstschaffende viel leichter zugängliche und durchdringbare Mittel dieses Konzept (zumindest ansatzweise) umsetzen? Haben wir es überhaupt schon richtig versucht? Der Weg mit einer neuen Technologie auch neue Arbeitsstrukturen einzuleiten, ist verführerisch, aber vielleicht gar nicht zwingend notwendig. Ich denke, dass neben den technischen Aspekten auch die Philosophie, die hinter der aktuellen Euphorie über die Möglichkeiten der Technik steckt, inspirieren kann.

Ich kann mir kein abschließendes Urteil über das weiterführende Potential der Blockchain bilden. Dennoch hat mich der Blick auf die potentiellen Möglichkeiten bereichert.
Diese Recherche ist darum vor allem ein erster Ansatz und eine Ermutigung sich mit dem Thema zu beschäftigen, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und sich neuen technischen Möglichkeiten offen gegenüber zu positionieren, auch wenn das nicht bedeutet problematischere Aspekte auszusparen. Ob die Inspiration und die Fruchtbarkeit dann aus den konkreten technischen Möglichkeiten für die eigene Arbeit stammen, aus einer etwas genaueren Idee, was in der Welt um uns herum für Entwicklungen stattfinden, oder aus einem philosophischen Ideal der Tech-Bubble schöpfen, darf dabei offen bleiben.


NFT - Non Fungible Token. Nicht austauschbare Wertmarken, die auf der Blockchain gespeichert sind. NFTs werden als digitales Zertifikat für den Besitz digitaler Objekte benutzt.

Blockchain - Blockchains sind fälschungssichere, verteilte Datenstrukturen, in denen Transaktionen in der Zeitfolge protokolliert, nachvollziehbar, unveränderlich und ohne zentrale Instanz abgebildet sind.

DLT - Distributed Ledger Technology. Blockchain ist eine Art von DLT. Diese beschreibt eine Technologie um verteilte Hauptbücher, also eine Art von dezentraler Datenbank.

Fiat-Währung - Analoge Währungen wie der Euro, Dollar, Pfund etc

Kryptowährung - Digitale Währung, die auf der Blockchain basiert, wie Bitcoins, Ethereum, Solana, Tezos etc

Wallet - Speicherort für die digitale Währung, meistens in Form einer App

Marketplace - Websites, auf denen NFTs verkauft und versteigert werden

Minten - der Prozess ein Token, also auch ein NFT herzustellen

Smart Contract - Verträge, die durch Code auf der Blockchain festgeschrieben werden, die für deren automatische Ausführung sorgt. (automatisches wenn DIES passiert, folgt DAS)

Drop - die Veröffentlichung des Verkaufs einer Kollektion von NFT, meistens auf ein bestimmtes Datum festgelegt

Discord - App für Kommunikation und Austausch


Neben den zahlreichen Onlinequellen, die in den Texten verlinkt sind, möchte ich auf folgende Printquellen, die ich in der Recherche benutzt habe, hinweisen.

Kolja Reichert: Kryptokunst. erschienen in der Reihe Digitale Bildkulturen, hrsg. von Annekathrin Kohout und Wolfgang Ullrich, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 2021.

Don Tapscott, Alex Tapscott: Die Blockchain Revolution. Wie die Technologie hinter Bitcoin nicht nur das Finanzsystem, sondern die ganze Welt verändert. Börsenmedien AG, Kulmbach, 2016.

Matt Fortnow, Quharrison Terry: The NFT Handbook. How to create, sell and buy non-fungible tokens. John Wiley & Sons, Inc, Hoboken New Jersey, 2022.

Ric Edelman: The Truth About Crypto. A practical guide to bitcoin, blockchain, NFTs and other digital assets. Simon & Schuster, New York, 2022.


Des Weiteren hat mir die Teilnahme an der Onlinemasterclass How to live with art, #focus art NFTs! by Office Impart mit Johanna Neuschäffer und Anne Schwanz weiter geholfen.

Außerdem durfte ich erkenntnisbringende Gespräche führen mit: Phillip Merkelbach, Michael Götte, Carolin Jüngst, Evie Oldham

Ich bedanke mich bei Lisa Kosanke für die TikTok Tipps und bei allen Tänzer*innen, die an der Umfrage teilgenommen haben.


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